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Abenteuer auf der Teufelsbrücke

Kapitel 1

Wie alles begann.

„Wir müssen noch Koffer packen“, rief Leon und stürmte die Treppe zu seiner Schwester hinauf. „Bist du doof? Das macht doch immer Mama“, antwortete seine Schwester. „Nicht mal Papa packt den Koffer selbst. Außerdem ist heute erst Montag. Wir fliegen erst am Freitag. Es ist also noch genügend Zeit.“ Die Eltern hatten vor einigen Wochen, kurfristig einen Urlaub nach Griechenland gebucht und am Freitag, mit Beginn der Herbstferien, sollte es endlich losgehen. Nachdem zuvor der Urlaub im Sommer schon ausfallen musste, hatten die Eltern entschieden, wenigstens in den Herbstferien für eine Woche ans Meer zu fahren. Nachdem sich viele Menschen, mit einem neuen Virus infiziert hatten, musste der Sommerurlaub bereits im Frühjahr abgesagt werden. Zu groß war die Gefahr sich anzustecken. Im Sommer hatten sich dann aber deutlich weniger Leute infiziert, und so konnte man nun wieder reisen. Zumindest hofften das die Kinder, denn ihnen war nicht entgangen, dass die Eltern mit Sorge die Nachrichten verfolgten. Aber noch sah alles gut aus. Mutter hatte soweit alle Vorbereitungen abgeschlossen. Die Flugtickets lagen bereit, die Ausweispapiere waren verlängert, die Koffer fertig gepackt, also konnte es am Freitag endlich losgehen.

Aber dann kam alles ganz anders. Donnerstag morgen rief Papa die Kinder in die Stube. „Wir müssen mit euch reden. So leid es uns tut, aber aus unserem Griechenland Urlaub wird nichts. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass Reiserückkehrer in Quarantäne müssen. Voraussichtlich für mindestens vierzehn Tage. Obwohl das noch nicht ganz sicher ist, kann ich auf keinem Fall ein solches Risiko eingehen. Wenn die Bundesregierung das durchzieht, kann ich für drei Wochen nicht arbeiten. Das geht auf keinem Fall, denn dann kann mein Chef unsere Abgabetermine nicht einhalten. Das wäre schlichtweg eine Katastrophe für die Firma.“

Beide Kinder machten ein enttäuschtes Gesicht. Amy war den Tränen nahe. „Aber wir haben uns doch so gefreut“, rief Leon. „Das wissen wir“, antwortete die Mutter „und damit wir uns wenigstens ein bisschen erholen können, haben wir uns eine Alternative überlegt. Gut, wir werden nicht fliegen. Es wird auch keinen Urlaub am Meer geben. Aber dafür fahren wir mit dem Auto.“ „Ach du jemine, ausgerechnet mit dem Auto“, stöhnte Amy. „Wohin soll es denn gehen?“, wollte Leon wissen. „Doch nicht etwa wieder in die Eifel, wie voriges Jahr oder in den Westerwald, wie davor das Jahr.“ „Nein“, sagte die Mutter und lachte, „das war doch nur ein Kurzurlaub. Wir sind doch nur am Wochenende unterwegs gewesen und damals wollten wir euch auch keine lange Autofahrt zumuten. Das ist jetzt anders. Nun seid ihr größer. Außerdem haben wir uns dafür entschieden, Freitag Nacht zu fahren. Da könnt ihr im Auto schlafen. Wenn alles klappt, sind wir schon am Samstag in aller Frühe dort.“ „Hm“, machte Leon. „Ihr habt uns aber immer noch nicht verraten, wo es hingeht.“ „Eigentlich wollten wir euch auch überraschen“, sagte der Vater. „Aber ich glaube, ihr hattet heute Überraschungen genug. Wir haben uns entschieden, die Großeltern zu besuchen. Dazu müssen wir zwar lange mit dem Auto fahren, aber wir haben eure Großeltern schon drei Jahre nicht mehr gesehen. Mama und ich waren der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Die Großeltern wohnen in der Oberlausitz. Das ist in der Nähe der polnischen Grenze. Der Ort heißt Gablenz. Im Moment gibt es dort, soweit wir wissen, keine Infektionen. Ihr könnt dort ungezwungen toben und spielen und wir müssen uns keine Sorgen machen, dass ihr euch ansteckt. Wir haben schon mit Oma und Opa telefoniert und sie freuen sich riesig, dass wir sie besuchen.“ „Wir wissen, dass Oma und Opa an der polnischen Grenze wohnen. Wir sind ja nicht doof. Ständig habt ihr uns doch erzählt, dass wir sie nicht besuchen können, weil sie so weit weg wohnen“, antwortete Leon. „Ihr habt recht, aber jetzt bietet es sich einfach an. Ihr konntet schon den ganzen Sommer kaum vor die Tür. Der Urlaub wird euch deshalb doppelt guttun. Allerdings hat Mama ein Problem. Ich glaube, sie muss die Koffer noch einmal neu packen. Denn eines ist sicher, 30 Grad und mehr wird es im Oktober in der Oberlausitz nicht geben“, sagte Vater.

Am Nachmittag des nächsten Tages, machte sich die Familie auf den Weg in die Oberlausitz. Vater hatte für die Fahrt, vorausgesetzt es würde keine größeren Staus auf der Strecke geben, rund zwölf Stunden eingeplant. Anfangs schauten die Kinder noch aus dem Fenster, doch das wurde ihnen schon bald langweilig. Viel Abwechslung hatte die Seitenbegrenzung auch nicht zu bieten. Auf vielen Abschnitten gab es Schallschutzwände, die die Sicht stark eingrenzte. Schließlich setzte die Dämmerung ein und die Kinder wurden müde. Amy schlief zuerst ein und wenig später konnte auch Leon die Augen nicht mehr aufhalten. Die Eltern wechselten sich beim Fahren ab, aber davon bekamen die Kinder nichts mit. Schließlich wurde Amy unsanft geweckt, denn Leon hatte ihr im Schlaf den Ellenbogen in die Seite gestoßen. „Wo sind wir?, wollte Amy wissen. „Wir sind gleich in Dresden. Dort wollen wir eine kurze Rast einlegen. Danach haben wir noch ungefähr zwei Stunden Fahrt vor uns.“ Eine Stunde später machten sich alle gut gelaunt erneut auf den Weg. Vorbei ging die Fahrt an kleinen Dörfern und ausgedehnten Wäldern, und endlich fuhren Sie auf den Hof der Großeltern. Kaum hatten sie die Autotüren geöffnet, kamen die Großeltern bereits aus dem Haus. Herzlich begrüßten Oma und Opa ihren Sohn und die Schwiegertochter. Danach drückte Oma die Kinder, wobei sie kaum ihre Tränen unterdrücken konnte. „Wie groß ihr geworden seid“, schluchzte sie. „Inzwischen haben wir euch ja auch einige Jahre nicht gesehen“, fiel Opa ihr ins Wort. „Aber egal, jetzt seid ihr hier und nun wird erst einmal gefrühstückt. Übrigens, ich habe eine Überraschung für euch. Vor ein paar Tagen war deine Cousine Kathi hier“, sagte der Großvater und sah seinen Sohn an. „Du kennst sie doch. Als Kinder habt ihr zusammen gespielt. Inzwischen ist sie schon lange verheiratet und hat selbst drei Kinder. Zwei Buben und ein Mädchen. Alle ungefähr im Alter von Amy und Leon. Ihr Mann musste für drei Tage, zu einer Fortbildung nach Singapur und so haben sie die Gelegenheit genutzt, und wollen eine Woche länger bleiben, um Urlaub zu machen. Aus dem Grund haben sie uns gefragt, ob wir uns für die Zeit um die Kinder kümmern könnten. Da wir wussten, dass ihr kommt, haben wir gerne zugesagt. Schließlich macht es zu fünft sicherlich mehr Spaß, als zu zweit. Da sie aus dem Nachbardorf kommen, kennen sie sich in der Gegend auch schon gut aus und es wird euch nicht langweilig werden. Sie spielen irgendwo, aber wir haben sie gebeten, nicht allzu lange fortzubleiben, damit wir gemeinsam Frühstücken können. Zwanzig Minuten später hatten die Großeltern ihnen ihre Zimmer gezeigt und Mutter die Koffer ausgepackt. Jetzt saßen alle am Frühstückstisch, als plötzlich die Türe aufging und drei Kinder hereinplatzten. „Da seid ihr ja endlich!“, rief der Großvater, „darf ich vorstellen. Das sind die Enkel meines Bruders. Die bezaubernde junge Dame ist Emely, der kleinere der beiden Jungs ist Max und der größere ist Lukas, und das sind Amy und Leon. Sie sind eben zusammen mit ihren Eltern angekommen. Ich hoffe, ihr werdet euch gut verstehen. Kommt, setzt euch zu uns, ihr habt doch sicherlich Hunger.“ Kurz darauf saßen alle am Tisch und ließen es sich schmecken. Nach dem Essen halfen die Kinder das schmutzige Geschirr abzuräumen, danach stürmten sie nach draußen. „Was kann man den hier so anfangen?“, wollte Leon wissen. „Ach, da gibt es einiges“, antwortete Emely. „Bis eben haben wir Verstecken gespielt. Gestern haben wir ferngesehen, obwohl wir lieber mit der Videokonsole gespielt hätten. Aber die Großeltern haben keine Konsole. Mama und Papa haben verboten, dass wir sie mitnehmen. Sie waren der Meinung, wir sollten endlich wieder mehr Zeit draußen verbringen. Na ja, eigentlich haben sie ja recht. Solange das Wetter noch so schön ist, sollten wir das ausnutzen. Schließlich gibt es tatsächlich genug Möglichkeiten.“ „An welche hast du denn gedacht?“, wollte Amy wissen. „Ich meine außer Verstecken spielen.“ „Nun ja, wir könnten zum Beispiel reiten, oder auf Bäume klettern“, meinte Max. „Oder wir suchen weiter nach dem Schatz“, rief Lukas. „Ich bin ganz sicher, dass wir gute Chancen haben ihn zu finden.“

„Was für einen Schatz?“, wollten Amy und Leon sofort wissen. „Nun ja“, antwortete Emely, „Lukas sucht „die drei goldenen Kronen zu Neschwitz“, angeblich sollen sie sich hier in der Gegend befinden. Aber niemand kann so genau sagen, wo sie liegen oder wo sie vergraben wurden. Viele haben schon danach gesucht, aber gefunden hat bisher noch niemand etwas.“ „Ist doch klar“, rief Lukas, „alle haben ja auch an der falschen Stelle gesucht.“ „Ha, aber du weist genau, wo du suchen muss“, rief Amy. „Ich frage mich nur, warum du den Schatz dann noch nicht gefunden hast?“ „Wenn das so einfach wäre. Natürlich hat man ihn gut versteckt“, entgegnete Lukas. „Viele vermuten sogar, dass die Kronen nur ein Teil eines noch größeren Schatzes sind. Auf jedem Fall gibt es Hinweise dafür, dass die Kronen tatsächlich existierten. Sie sollen von einem Goldschmied in Dresden, als Weihnachtsgeschenk für seine drei Söhne, angefertigt worden sein. Als die Söhne herausfanden, welches Geschenk sie zu Weihnachten bekommen sollten, war der Vater so erbost, dass er die Kronen zum Fenster hinaus warf. Angeblich in den, vor dem Fenster liegenden, Graben. Wo sie versunken und nie wieder gefunden wurden. Wenn ihr mich fragt, alles Quatsch. Kein Graben kann so groß und so tief sein, dass man drei goldene Kronen nicht findet. Meiner Meinung nach sind sie sehr schnell gefunden und dann im Schloss versteckt worden. Als dann im Dritten Reich die Nazis auf der Suche nach allen möglichen Schätzen waren, hat man die Kronen in Sicherheit gebracht und im See versenkt.“ „In welchem See?“, wollte Leon wissen. „Im Rakotzsee“, antwortete Lukas. „Das ist hier ganz in Nähe.“ „Warum denn ausgerechnet in diesem See, wo es doch hier in der Gegend ganz viele Gewässer gibt?“, wollte Amy wissen. „Na ja“, antwortete Emely, „dass weiß mein Bruder selbst nicht so ganz genau. Er vermutet es nur.“ „Das ist nicht wahr!“, rief Lukas wütend. „Ich hab es in einem Buch gelesen. Man hat den See wegen der „Brücke des Teufels“ gewählt. Die Einheimischen trauen sich nicht an den See. Man sagt, es spukt dort.“ „Hmm“, machte Amy, „aber du glaubst doch nicht, dass Spukgeschichten die Nazis davon abgehalten hat, nach dem Schatz zu suchen.“ „Nein, dass nicht. Aber auf jedem Fall wurde bisher nichts gefunden. Also muss der Schatz noch dort sein.“


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